Manuskript der Haushaltsrede des Vorsitzenden der Ratsfraktion für die Sitzung des Rates am 27. April 2023
Anrede,
„Finanzmisere zwingt zu höherer Grundsteuer“,
„Hauseigentümer in Remscheid sollen mehr zahlen“ –
mit diesen Meldungen begannen die Haushaltsberatungen.
Unser Anspruch als Freie Demokraten ist es, dass die Menschen über einen möglichst großen Teil des Geldes, das sie erarbeitet haben, auch selbst entscheiden können. Das ist umso wichtiger in der derzeitigen Situation, in der das Geld aufgrund der Inflation immer weniger wert ist. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass der eine Euro aus dem Jahr 2020 jetzt nur noch 87 Cent wert ist, dann ist klar: Diese Inflation ist ein Verarmungsprogramm für die breite Mitte der Gesellschaft. Für uns war es daher das Gebot der Stunde, die haushaltsrechtlichen Möglichkeiten weitgehend auszuschöpfen, um die Steuern möglichst niedrig zu halten. Wir schaffen es mit unserem Haushaltsbegleitbeschluss, die Grundsteuererhöhung deutlich abzumildern und von 800 auf 685 Punkte zu senken. Damit verzichten wir auf fast zwei Drittel der ursprünglich geplanten Grundsteuererhöhung. Ich möchte mich an dieser Stelle bei unseren Partnerinnen und Partnern von SPD und GRÜNE bedanken, dass sie bereit sind, diesen Weg mitzugehen und die Belastung der Bürgerinnen und Bürger möglichst gering zu halten.
Unser oberstes Ziel war es in diesen Haushaltsberatungen, erneut einen ausgeglichenen Haushalt zu beschließen. Nur mit einem ausgeglichenen Haushalt können wir unserem Anspruch gerecht werden, unter den gegebenen Rahmenbedingungen das Beste für die Stadt zu erreichen.
Ein Haushalt mit roten Zahlen hätte bedeutet, noch weitere Schulden zu machen. Bereits im laufenden Jahr zahlt die Stadt voraussichtlich alleine über zehn Millionen Euro an Zinsen für ihre bestehenden Schulden – mit deutlich steigender Tendenz. Das sind zehn Millionen Euro, die wir für Verpflichtungen aus der Vergangenheit ausgeben. Und das sind zehn Millionen Euro, die uns für die Zukunft fehlen, die uns jetzt nicht zur Verfügung stehen für Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur oder die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger.
Es ist grundfalsch, wenn Kommunen gezwungen sind, Steuern zu erhöhen, um die Zinsen für die Schulden der Vergangenheit zu zahlen. Auf diese Weise wird den Kommunen die Möglichkeit genommen, in ihre Zukunft zu investieren. Deshalb ist die Forderung nach einer Altschuldenlösung unverändert aktuell. Ohne Entlastungen bei den Altschulden wird es keine nachhaltige Sanierung der städtischen Haushalte geben.
Ein Haushalt mit roten Zahlen hätte auch bedeutet, keine Genehmigung der Kommunalaufsicht zu erhalten und für längere Zeit in die vorläufige Haushaltsführung mit all ihren Auflagen und Beschränkungen zu rutschen. Damit fielen unsere Gestaltungsspielräume weg, und wir könnten nicht wie geplant investieren. Wir wollen nicht, dass die Kommunalaufsicht wieder darüber entscheidet, was wir dürfen und vor allem was wir nicht dürfen.
Das vorliegende Investitionsprogramm sieht alleine für die Schulen ein Volumen von fast 200 Millionen Euro vor. Dazu gehören die G8/G9-Umstellung, der Ausbau der Ganztagsbetreuung in den Grundschulen und die Weiterentwicklung der digitalen Infrastruktur. Allgemein müssen wir wieder verstärkt in die städtische Infrastruktur investieren, denn in den Jahren der Haushaltsdefizite waren wir dazu gezwungen, von der Substanz zu leben und unser Vermögen zu vernachlässigen. So wurde in den 13 Jahren seit Vorlage der Eröffnungsbilanz rund ein Drittel des Sachanlagevermögens aufgezehrt.
Der Entwurf des Investitionsprogramms sieht nunmehr vor, die Investitionen in den nächsten zwei Jahren insgesamt zu verdreifachen. Die Investitionen werden sich im Jahr 2024 dann gegenüber dem Jahr 2020 sogar verzehnfacht haben. Für diese Vorhaben müssen wir natürlich ebenfalls Kredite aufnehmen. Doch im Gegensatz zu den Liquiditätskrediten, die wir für den täglichen Betrieb einsetzen und mit denen wir unser Girokonto überziehen, setzen wir Investitionskredite für unser Vermögen ein und erhalten und schaffen Werte.
Dazu gehören beispielsweise die Sanierung des Freibads Eschbachtal, der Ausbau der Kindertagesstätten, die Digitalisierung in den Schulen, Schulerweiterungen, Sanierungen von Gebäuden und Straßen, die Neugestaltung des Friedrich-Ebert-Platzes und das Sanierungsgebiet Alleestraße.
Anrede,
Remscheid steht vor vielen Herausforderungen: Die Entwicklung von Gewerbe- und Wohnflächen, bessere Bildung, eine Neuausrichtung der Mobilität und die weitere Digitalisierung. Mit unserem Haushaltsbegleitbeschluss werden wir die Investitionsmittel für die Entwicklung von Gewerbeflächen nochmals erhöhen auf dann insgesamt 6,5 Millionen Euro im laufenden Jahr.
Unverändert fehlen in Remscheid neue Gewerbeflächen. Dabei geht es weniger darum, Betriebe aus anderen Städten nach Remscheid zu holen, sondern es geht vor allem um die Remscheider Unternehmen, die am Standort Remscheid bleiben und sich hier weiterentwickeln wollen. Die Wiedernutzung von Brachen läuft sehr erfolgreich, aber sie reicht nicht aus. Wir wollen daher Gewerbegebiete im Gleisdreieck Bergisch Born und auf den Flächen der sogenannten Erdbeerfelder entwickeln, um den Unternehmen und ihren Arbeitsplätzen dort eine Perspektive zu geben. Nicht zuletzt profitiert die Stadt von ihren erfolgreichen Unternehmen über die Steuereinnahmen. Dazu gehört nicht nur die Gewerbesteuer, sondern auch die Einkommensteuer. Ohne gut bezahlte Arbeitsplätze wird Remscheid auf Dauer an Wohlstand verlieren.
Auch außerhalb des Investitionsprogramms nutzen wir die Spielräume, um Bildungschancen, Sportangebote, Freizeitmöglichkeiten und die soziale Infrastruktur zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Wir werden beispielsweise die Offene Ganztagsbetreuung in den Grundschulen, die OGGS, mit zusätzlichen Mitteln fördern. Bereits in der Vergangenheit ist die Stadt Remscheid mit ihren Zuschüssen über die gesetzlichen Vorgaben hinausgegangen. Mit der weiteren Erhöhung der Zuschüsse wollen wir die Träger der Ganztagsbetreuung dabei unterstützen, fairer und gerechter zu entlohnen, und damit die OGGS im Wettbewerb um Beschäftigte zu stärken. Insgesamt werden die kommunalen Betriebskostenzuschüsse an die OGGS um knapp 10% steigen. Damit liegt der Eigenanteil der Stadt Remscheid mittlerweile bei fast 50% und damit deutlich über dem kommunalen Mindesteigenanteil von 30%. Wir sind der Auffassung, dass sich auch das Land stärker in diesem Bereich engagieren muss, um weitere Qualitätsverluste zu vermeiden und die Funktionsfähigkeit des offenen Ganztags sicher zu stellen. Wir als Kommune können das Finanzierungsdefizit des offenen Ganztags nicht alleine auffangen.
Anrede,
am Ende der Haushaltsberatungen möchte ich mich bei der Verwaltung bedanken. Die Aufstellung dieses Haushaltsentwurfs war unter den Auswirkungen von Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Inflation nicht einfach. Die Rahmenbedingungen für diesen Haushalt änderten sich in den vergangenen Monaten bis zuletzt, angefangen von den Steuerschätzungen bis hin zu dem jüngsten Tarifabschluss. Trotzdem ist es gelungen, einen soliden, zukunftsfähigen Haushaltsentwurf vorzulegen, und für diese Arbeit möchte ich mich ausdrücklich bedanken.
Ich möchte die Gelegenheit natürlich ebenso nutzen, den Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen für die zielgerichtete, konstruktive Arbeit zu danken. Wir zeigen heute, dass wir weiter bereit sind, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, um finanzielle Spielräume zu schaffen, damit wir in die Zukunft dieser Stadt investieren können. Durch die seriöse und erfolgreiche Haushaltspolitik des vergangenen Jahrzehnts haben wir uns viele Freiräume erarbeitet. CDU und WiR möchte ich für die guten Gespräche im Vorfeld der heutigen Ratssitzung danken. Als Fraktion der Freien Demokraten stimmen wir heute dem vorliegenden Haushaltsentwurf und unserem gemeinsamen Haushaltsbegleitantrag, dem Begleitantrag der CDU und Teilen des Antrags der Wählergemeinschaft gerne zu.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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